Ausgabe: 03/2023

KI und Digitalisierung in Niedersachsen

Gesellschaft und Arbeitswelt im Wandel

Wie wirken sich Digitalisierung und künstliche Intelligenz (KI) auf Arbeits- und Organisationsprozesse aus? Und wie können die neuen digitalen Arbeitswelten gestaltet werden? Diesen und anderen Fragen gehen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus niedersächsischen Forschungseinrichtungen im Zukunftslabor Gesellschaft & Arbeit (ZL G&A) des Zentrums für Digitale Innovation Niedersachsen (ZDIN) nach.

Künstliche Intelligenz hat inzwischen in vielen Bereichen des täglichen Lebens Einzug gehalten. Noch vor wenigen Jahren erforderte die Nutzung von KI eine teure Infrastruktur und technisches Know-how, heute genügt ein Internetzugang. Intelligente Chatbots sind weit verbreitet, und die Gesellschaft wird zunehmend "KI-fähig". "Umso wichtiger ist es, einen Rahmen zu schaffen, der den Nutzern die Möglichkeiten und Grenzen von KI aufzeigt", sagt Monty-Maximilian Zühlke, der am Forschungszentrum L3S das ZL G&A koordiniert.

Der Mensch im Mittelpunkt

Zühlke und sein L3S-Kollege Dren Fazlija forschen zur Erklärbarkeit, Robustheit und Fairness von datenabhängigen Modellentscheidungen. Ihre Forschungspartner im ZL G&A untersuchen die damit verknüpften sozialen, ökonomischen und juristischen Implikationen, um einen verantwortungsvollen Umgang mit KI-Anwendungen zu ermöglichen. Gemeinsam wollen die Forscher neue Nutzungsmöglichkeiten erkennen, implementieren und angemessen bewerten, um KI nicht losgelöst von der Gesellschaft zu verstehen und zu etablieren. In anwendungsorientierten Fallstudien untersuchen die Wissenschaftler des Zukunftslabors zum Beispiel, wie Beschäftigte in die Gestaltung digitaler Prozesse einbezogen werden können, auch im Zusammenhang mit KI. „Obwohl die Pandemie gerade die empirische Sozialforschung des Projektes verzögert hat, scheinen die in dieser Zeit gewonnenen Digitalkompetenzen der Gesellschaft das Interesse an Digitalisierung und KI befördert zu haben. Das ZL G&A wird dieses Interesse weiterhin bedienen,“ sagt Fazlija.

Fallstudie Jobcenter

Mit Digitalisierungsprozessen in der öffentlichen Verwaltung befasst sich im ZL G&A das Soziologische Forschungsinstitut Göttingen (SOFI). Im Fokus einer aktuellen Fallstudie steht ein Jobcenter, das vor der Herausforderung steht, bei der Digitalisierung von Leistungen die konkreten Vorgaben und Fristen des Onlinezugangsgesetzes (OZG) umzusetzen. Die Forscher des SOFI begleiten diesen Prozess und ermitteln partizipativ mit dem Jobcenter Herausforderungen und Gestaltungsmöglichkeiten. Untersucht wurde, wie sich die Digitalisierung der Prozesse auf die Beschäftigten auswirkt und welche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung notwendig sind. Um Erkenntnisse über Erwartungen und Zielsetzungen von Beschäftigten und Arbeitssuchenden zu gewinnen, führten die Wissenschaftler Arbeitsplatzbeobachtungen und Interviews in unterschiedlichen Bereichen des Jobcenters durch. Aus den Ergebnissen der Fallstudie leiten die Wissenschaftler konkrete Handlungsempfehlungen ab, damit das Jobcenter nicht nur die gesetzlichen Vorgaben, sondern auch die Anforderungen von Kunden und Beschäftigten erfüllen kann.

Verhältnis von Mensch und KI

Zur Gestaltung einer digitalen Arbeitswelt gehört auch der Einsatz von KI. Die Frage ist, ob Menschen dieser Technologie vertrauen, sie akzeptieren oder eher ablehnen. In diesem Zusammenhang lautet eine Forschungsfrage des ZL G&A: Kann KI das Entscheidungsverhalten von Menschen beeinflussen? Zu diesem Zweck haben Forscher der Universität Göttingen und des L3S eine Studie durchgeführt, bei der die Teilnehmer eine Gehaltsverhandlung simulieren sollten. Verhandelt werden konnte entweder mit einem Menschen, mit einem autonomen KI-System oder mit einem Menschen, der Zugriff auf eine KI hat.

 Interessanterweise war die Hälfte der Arbeitnehmer davon überzeugt, mit einem KI-System ein höheres Gehalt aushandeln zu können. Weitere 25 Prozent der Teilnehmer sagten dasselbe über einen KI-gestützten menschlichen Verhandlungspartner. Dennoch wollte gut die Hälfte der Arbeitnehmer lieber mit einem Menschen ohne KI-Unterstützung verhandeln – auch wenn das am Ende weniger Gehalt bedeuten könnte. Der Versuch zeigt: Der Einsatz von KI schreckt viele Menschen offenbar ab, da helfen auch keine monetären Anreize.

Das ZL G&A hat bereits viele Erkenntnisse über KI und Digitalisierung gewonnen, die sie auch der Öffentlichkeit vorstellen, etwa in Veranstaltungen und Podcasts. „Durch die Entwicklung und Verbreitung mächtiger Systeme wie ChatGPT stehen uns noch viele weitere Herausforderungen bevor“, sagt Koordinator Zühlke.

Kontakt

Monty-Maximilian Zühlke

Monty-Maximilian Zühlke ist Koordinator des Zukunftslabors Gesellschaft & Arbeit. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit der Repräsentativität von Daten und Modellen in KI-Algorithmen.

Dren Fazlija

Dren Fazlija ist stellvertretender Koordinator des Zukunftslabors Gesellschaft & Arbeit. Im Rahmen des Projektes forscht er zu Adversarial Machine Learning und robuster KI.