Ringdesign mit KI in der Goldschmiede Stichnoth. Das Projekt haben DAISEC-Mitarbeiter der Kernpartner L3S, HPI und Mittelstand-Digital Zentrum Hannover umgesetzt. ©Foto: Lukas Fischer, DAISEC

Digital Innovation Hub

Intelligente Werkzeuge für die Werkbank

Künstliche Intelligenz (KI) im Handwerk – für viele Betriebe sind die Anwendungsmöglichkeiten noch nicht klar erkennbar. Schließlich ist das Handwerk geprägt von manueller Arbeit, direktem Kundenkontakt und individuellen Lösungen. Doch in der Vielfalt und Präzision handwerklicher Tätigkeiten liegt enormes Potenzial für den Einsatz intelligenter Technologien. Denn KI kann helfen, Prozesse effizienter zu gestalten, die Qualität zu steigern und neue Wege in der Kundenkommunikation und Produktentwicklung zu eröffnen.

Noch fällt es vielen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) schwer, sich in der digitalen Welt zurechtzufinden, und die Relevanz von Technologien wie Cloud-Software, Bildgeneratoren, Chatbots oder Cybersicherheitsfragen für das eigene Gewerk bleibt unklar. Genau hier setzt der DAISEC an, der European Digital Innovation Hub für KI und Cybersicherheit. Als einer von 17 EU-geförderten Digital Innovation Hubs in Deutschland hat der DAISEC die Aufgabe, Unternehmen auf ihrem Weg der Digitalisierung zu begleiten - praxisnah, technologieoffen und kostenfrei.

Maßgeschneiderte Unterstützung statt technischer Überforderung

Der DAISEC ist der regionale Partner für Unternehmen, die ihre Digitalisierung voranbringen wollen − auch ohne IT-Abteilung oder spezialisiertes Personal. Der Fokus liegt auf Handwerk, Fertigung und Mobilität. Dabei bündelt der Hub die Expertise eines interdisziplinären Teams aus Informatikern, Ingenieuren und weiteren Fachleuten. Das Forschungszentrum L3S leitet das DAISEC-Konsortium aus zehn Kernpartnern sowie zahlreichen assoziierten Partnern, die gemeinsam ein umfassendes und modernes Dienstleistungs- und Beratungsangebot bieten.

Dr. Daniel Kudenko, Geschäftsführer des DAISEC, sieht gerade im Handwerk großes Entwicklungspotenzial: „Handwerksbetriebe profitieren enorm von einem besseren Verständnis und mehr Entscheidungskompetenz rund um KI und IT-Sicherheit. Unser Ziel ist es, Unternehmerinnen und Unternehmern genau das zu ermöglichen – und zwar auf dem Level, das sie aktuell benötigen.“ Für den Technologietransfer ins Handwerk sorgt insbesondere das Heinz-Piest-Institut für Handwerkstechnik an der Leibniz Universität Hannover (HPI), einer der Kernpartner des DAISEC.

Das Angebot des DAISEC reicht von Schulungen und digitalen Austauschformaten bis hin zur Unterstützung beim Einsatz neuer Technologien. Die DAISEC-Experten ermitteln dafür den digitalen Reifegrad eines Unternehmens, das heißt, sie analysieren, inwieweit die Voraussetzungen für den Einsatz von KI- oder Cybersicherheitslösungen bereits gegeben sind. Dazu gehört neben einem Technik-Check auch die Frage, ob Datenstrukturen, Personalressourcen und Prozesse für KI-Tools geeignet sind.

Konkrete Einsatzmöglichkeiten der neuen Tools reichen in vielen Betrieben vom Kundenkontakt über die Büroorganisation bis hin zu Produktion oder Marketing. Sind alle Voraussetzungen gegeben und ein Einsatz realistisch, begleitet der DAISEC Betriebe auf Wunsch bis zur Einführung der neuen Technologie, etwa im Rahmen eines Innovationsprojekts.

Von der Theorie zur Werkbank: Praxisbeispiele aus dem Handwerk

Dass der Einsatz von KI und Cybersicherheitsmaßnahmen im Handwerk keineswegs Zukunftsmusik ist, zeigen zahlreiche Projekte des DAISEC. Besonders in der visuellen Gestaltung und der Kommunikation mit Kunden entfaltet KI ihr Potenzial. Hier lassen sich Effizienzgewinne erzielen, ohne den kreativen Kern von handwerklicher Arbeit zu verdrängen.

KI-generierte Designentwürfe

Ein Beispiel ist die Zusammenarbeit mit der Tischlerei DEIN FREUND. Um den Entwurfsprozess von Möbeln zu beschleunigen und anschaulicher zu gestalten, hat das Unternehmen gemeinsam mit dem DAISEC das KI-Modell Stable Diffusion in die Kundenberatung integriert. Auf Grundlage kurzer Textbeschreibungen - sogenannter Prompts - erzeugt die KI fotorealistische Bildvorschläge. So können individuelle Wünsche direkt vor Ort besprochen, sofort in Designideen übersetzt und iterativ angepasst werden. Das spart Zeit, erleichtert die Kommunikation und beschleunigt die Entscheidungsfindung des Kunden.

Zusätzlich haben die DAISEC-Mitarbeiter die Tischlerei im Hinblick auf die Implementierung eines Chatbots auf ihrer Website beraten, der ebenfalls auf Bildgenerierungs-KI zurückgreift. Durch kurze Texteingaben können Kunden erste Designideen selbst generieren und visualisieren. Und das rund um die Uhr und ohne Einbindung von Fachpersonal. Der innovative Online-Service bietet den Kunden frühzeitig Orientierung und schont die Ressourcen der Tischlerei. So schafft die Kombination aus KI-gestützter Vor-Ort-Beratung und einem interaktiven Web-Tool ein modernes, effizientes und kundenfreundliches Gesamterlebnis.

Ähnlich funktioniert der Einsatz von KI in der Goldschmiede Stichnoth, wo Stable Diffusion das Entwerfen von Schmuckstücken vereinfacht. Im Kundengespräch können die Berater der Goldschmiede in Echtzeit die individuellen Vorstellungen per Prompt visuell umsetzen und bei Bedarf direkt weiterentwickeln, etwa durch die Anpassung einzelner Elemente oder Materialien. Selbst bestehende Produktfotos können in den Prozess eingebunden werden, um Modifikationen vorzunehmen oder Variationen zu entwickeln. Gegenüber der klassischen CAD-Planung bietet der Einsatz von KI eine erhebliche Zeitersparnis und macht den Gestaltungsprozess effizienter, dialogorientierter und kundenfreundlicher.

Automatisierung, Wartung und Dokumentation

KI zeigt nicht nur im gestalterischen Bereich ihr Potenzial. Auch technisch ausgerichtete Gewerke profitieren zunehmend von intelligenten Systemen, etwa das Kältetechnikerhandwerk: Gemeinsam mit Fachbetrieben hat der DAISEC Lösungen zur automatisierten Wartung und Dokumentation entwickelt. Mithilfe von Sensordaten und KI-gestützten Analysen lassen sich potenzielle Störungen frühzeitig erkennen und präventive Maßnahmen einleiten. Diese Form der Predictive Maintenance reduziert Ausfallzeiten, senkt Kosten und verlängert die Lebensdauer der Anlagen.

Ein weiteres Beispiel: Die automatisierte Datenblattbeschaffung für Revisionsunterlagen zum Ende eines Projekts. Statt Unterlagen manuell zusammenzustellen, übernimmt eine KI diese Aufgabe und stellt sicher, dass alle relevanten Informationen korrekt, vollständig und fehlerfrei vorliegen. Gerade bei umfangreichen Projekten ist das ein spürbarer Zeitgewinn und entlastet die Fachkräfte erheblich.

KI kann auch in der Verwaltung hilfreich sein. Das zeigt ein Projekt mit den Handwerkskammern Braunschweig-Lüneburg-Stade, Hannover und Hildesheim-Südniedersachsen. Gemeinsam wurde ein textbasierter Chatbot entwickelt, der die digitale Anmeldung von Auszubildenden zur Lehrlingsrolle vereinfacht, indem er häufige Fragen zur Anmeldung beantwortet.

Cybersicherheit als Grundvoraussetzung

Mit zunehmender Digitalisierung wächst allerdings auch die Anfälligkeit für Cyberangriffe. Viele Betriebe unterschätzen die Risiken, die durch unzureichende IT-Sicherheit entstehen. Hackerangriffe, Phishing-Versuche oder Schadsoftware können nicht nur Systeme lahmlegen, sondern im schlimmsten Fall vertrauliche Kundendaten kompromittieren und das Vertrauen in den Betrieb beschädigen. „Cybersicherheit ist nicht nur ein IT-Thema. Sie betrifft jedes Unternehmen, das digitale Tools nutzt“, sagt Kudenko. „Und im Handwerk wird diese Nutzung immer umfassender.“

Deshalb setzt der DAISEC auf eine enge Verzahnung von KI-Einführung und IT-Sicherheitsberatung. Neben Sensibilisierungsschulungen, Webinaren und dem Online-Cybersicherheits-Check bietet der Hub auch gezielte Unterstützung bei konkreten Umsetzungsprojekten.

Ein Beispiel ist die Zusammenarbeit mit dem SR-Malereiunternehmen. Der mittelständische Handwerksbetrieb wollte im Rahmen einer geplanten Cyber-Versicherung die Zugangssicherheit seiner Büroinfrastruktur verbessern. Die Experten des DAISEC führten zunächst eine Bestandsaufnahme durch und evaluierten mit dem Betrieb verschiedene Verfahren zur Zwei-Faktor-Authentifizierung (2FA). Auf Empfehlung des DAISEC setzte das Unternehmen dann FIDO2-Hardware-Token ein – kleine physische Sicherheitsschlüssel, die eine passwortlose und zugleich Phishing-resistente Anmeldung ermöglichen. Nachdem einige ausgewählte Mitarbeiter die Alltagstauglichkeit erfolgreich erprobt hatten, entschied sich das Unternehmen für den flächendeckenden Einsatz der Token. Das Projekt zeigt, wie durch praxisnahe Unterstützung moderne Sicherheitsstandards reibungslos in den Betriebsalltag integriert werden können.

Sichere Smart-Home-Technik

Aber nicht nur bei eigenen Systemen, sondern auch im wachsenden Smart-Home-Bereich, in dem viele Handwerksbetriebe inzwischen tätig sind, spielt die Absicherung vernetzter Systeme eine zentrale Rolle. Wo intelligente Technik in Haushalten oder Gebäuden zum Einsatz kommt, entstehen neue Angriffspunkte, etwa durch ungeschützte Schnittstellen oder fehlende Zugriffskontrollen. Eine ganzheitliche Sicherheitsstrategie wird hier zum entscheidenden Erfolgsfaktor.

Auch der Datenschutz ist wichtiger denn je. Insbesondere beim Einsatz von Chatbots oder KI-Anwendungen, die mit personenbezogenen Daten arbeiten, ist größte Sorgfalt geboten. Der DAISEC hilft Betrieben dabei, nicht nur funktionale, sondern auch datenschutzkonforme und robuste Lösungen zu implementieren - lokal, nachvollziehbar und angepasst an die jeweilige IT-Umgebung.

Von der Idee zur Umsetzung

Ganz gleich, ob es um digitale Produktkonfiguration, vorausschauende Wartungssysteme oder den Schutz der IT-Infrastruktur geht: Der DAISEC begleitet kleine und mittlere Unternehmen auf dem gesamten Weg der digitalen Transformation. Dank der Kofinanzierung durch die EU sind alle Angebote für KMU kostenfrei.

Vorgestellte Projekte
Kontakt

Dr. Daniel Kudenko

Daniel Kudenko ist Forschungsgruppenleiter am L3S. Als Geschäftsführer des DAISEC engagiert er sich für den Wissenstransfer in kleine und mittlere Unternehmen sowie den öffentlichen Sektor.