Ausgabe 03/2018

Wie kann das Web beim Lernen helfen?

Das kennt wohl jeder: Was man nicht weiß, wird schnell im Internet erfragt ‒ ob am Arbeitsplatz oder privat. Und tatsächlich geht es bei Online-Aktivitäten häufig darum, sich Wissen anzueignen: bei der alltäglichen Websuche mit Suchmaschinen wie Google, beim Recherchieren in Online-Enzyklopädien wie Wikipedia oder auch bei Interaktionen in den Sozialen Medien. Aber wird das Lernziel auch erreicht? Während in klassischen Lernszenarien der formalen Bildung ‒ also in Schule, Ausbildung und Hochschule ‒ Lernziele, Wissensstand oder Lernerfolg bekannt sind, ist das beim sogenannten informellen Lernen im Netz anders: Plattformbetreiber haben gewöhnlich keinerlei Informationen über Intention und Vorbildung ihrer Nutzer. Ob jemand zu einem Thema Experte ist oder gar keine Vorkenntnisse hat, spielt beim Lernen im Web keine Rolle. Selbst die Frage, ob eine Onlinesuche überhaupt ein bestimmtes Lernziel verfolgt, lässt sich für Mensch wie Maschine oft nur schwer entscheiden. Die Forschungsprojekte AFEL (Analytics for Everyday Learning) und SALIENT (Search as Learning – Investigating, Enhancing, and Predicting Learning during Multimodal Web Search) wollen dieses Problem lösen - mit einem datengetriebenen Ansatz und innovativen Methoden der künstlichen Intelligenz. Online-Interaktionen generieren nämlich vielfältige Nutzerdaten, etwa zum Such- und Navigationsverhalten, die Indikatoren dafür sein können, welche Absichten und Ziele die Nutzer verfolgen, ob also der Fachaufsatz in der Trefferliste noch ganz oben gehört oder doch lieber eine einfache Antwort.

Das durch die Europäische Kommission geförderte Horizont-2020-Projekt AFEL erforscht in einem internationalen Konsortium das Lernen im sozialen Web und bei alltäglichen Online-Aktivitäten. Die Wissenschaftler entwickeln Methoden und Werkzeuge, um Plattformbetreibern und Nutzern dabei zu helfen, Lernziele auch wirklich zu erreichen. Als Ergebnisse liegen bereits mobile Apps und Browser-Plugins zur Einbindung in soziale Netzwerke vor, die das Nutzerverhalten beobachten, den Lernerfolg messen und Informationen visualisieren.

Das Forschungsprojekt SALIENT, das durch die Leibniz-Gemeinschaft im Rahmen des Leibniz-Wettbewerbs 2018 gefördert wird, untersucht seit Mai 2018 speziell das Lernen bei der Websuche. Im Unterschied zu AFEL geht es dabei auch um semi-informelle Lernszenarien, wenn also zum Beispiel Studierende nach Informationen für eine Seminararbeit suchen. Außerdem befasst sich SALIENT mit der Nutzung multimedialer Lernressourcen wie Videos, etwa aus dem TIB AV-Portal oder von Youtube. Hierzu forschen Wissenschaftler des L3S, des Leibniz-Informationszentrums Technik und Naturwissenschaften (TIB), des Leibniz-Instituts für die Sozialwissenschaften (GESIS) sowie des Leibniz-Instituts für Wissensmedien (IWM) in einem interdisziplinären Verbund gemeinsam am Thema Search as learning. Dabei verknüpfen sie lerntheoretische und psychologische Aspekte mit Forschungsthemen aus den Bereichen Information- und Multimedia-Retrieval, maschinelles Lernen und Web-Mining. Erste Ergebnisse haben gezeigt, dass man mithilfe maschineller Lernverfahren Wissensstand und Lernerfolg aus den Nutzerinteraktionen ableiten kann. Um Nutzerverhalten automatisiert klassifizieren und Rückschlüsse auf den voraussichtlichen Lernerfolg schließen zu können, werden zum Beispiel der zeitliche Verlauf von Such-Sessions und Suchanfragen oder das Navigations- und Browsingverhalten analysiert.

Mithilfe der Forschungsergebnisse aus AFEL und SALIENT sollen Soziale Medien und Suchmaschinen die Bedürfnisse ihrer Nutzer besser erkennen und berücksichtigen, um ein effektiveres und effizienteres Lernen in Online-Umgebungen zu ermöglichen. Die Wissenschaftler arbeiten dafür an entsprechend angepassten Ranking-Algorithmen und Empfehlungssystemen.

Vorgestellte Projekte
Kontakt

Prof. Dr. Stefan Dietze

L3S-Mitglied Stefan Dietze ist Professor am Institut für Informatik der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Abteilungsleiter bei GESIS (Köln) . Seine Forschungsschwerpunkte liegen an der Schnittstelle von Information-Retrieval, semantischen Technologien und künsticher Intelligenz.

Prof. Dr. Ralph Ewerth

Prof. Dr. Ralph Ewerth

L3S-Mitglied Ralph Ewerth ist Professor an der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik der Leibniz Universität Hannover und leitet die Forschungsgruppe Visual Analytics am Leibniz-Informationszentrum Technische Informationsbibliothek (TIB).