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Date
2020-11-26
Wissenschaftspreis für Prof. Vidal

Der Wissenschaftspreis des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft „Forschung in Verantwortung“ geht in diesem Jahr an Maria-Esther Vidal, Leiterin der Forschungsgruppe „Scientific Data Management” an der TIB – Leibniz-Informationszentrum für Technik und Naturwissenschaften in Hannover und Mitglied des Forschungszentrums L3S. Die Auszeichnung würdigt die Arbeiten der Informatikerin zum wissenschaftlichen Datenmanagement. Der mit insgesamt 50.000 Euro dotierte Preis wurde im Rahmen der in diesem Jahr virtuell stattfindenden Jahrestagung der Leibniz-Gemeinschaft verliehen.

Das Management großer Mengen von Forschungsdaten ist eine der zentralen Herausforderungen für die Wissenschaft. Daten, die aus unterschiedlichen Quellen stammen, müssen aufbereitet, zusammengeführt und nutzbar gemacht werden, um aus ihrer Kombination neue Erkenntnisse zu sammeln. Maria-Esther Vidal widmet sich diesem Thema mit Forschungen zur Optimierung von Datenbankabfragen, zur Visualisierung von Daten durch Wissensgraphen zum Semantic Web, einer Anreicherung von Webdaten mit strukturierten Daten sowie zur Big-Data-Analyse.

Der Fokus ihrer Arbeit liegt auf dem semantischen Datenmanagement in Biomedizin und Lebenswissenschaften. Das Zusammenführen umfangreicher und heterogener Datensätze verspricht viele Ansätze für neue Behandlungsmethoden von Krankheiten. So arbeitet Maria-Esther Vidal zum Beispiel an der Transformation genomischer Rohdaten (OMICS) in semantische Wissensgraphen, die individuelle Signaturen von Patienten beschreiben und damit personalisierte Behandlungsmethoden auf Basis von Mustern genomischer Varianten ermöglichen. Ein konkretes Anwendungsbeispiele in der Medizin ist die Erforschung von Medikamenten-Wechselwirkungen oder verschiedener sonstiger Faktoren auf die Lebenserwartung bei Lungenkrebserkrankungen.

Die Kombination von Informationen aus sehr unterschiedlichen Quellen - von wissenschaftlichen Veröffentlichungen über statistischen Auswertungen und genetischen Informationen bis hin zu chemischen Strukturformeln - erlauben systematische Analysen und Vorhersagen, die bisher meist nur ad-hoc und unsystematisch möglich waren. Maria-Esther Vidal hat dafür eine Plattform entwickelt, die mehr als 40 verschiedene Datenquellen verbindet und mittels Wissensgraphen und maschinellem Lernen Muster entdeckt und verständlich und vorhersagbar macht. Aktuell hat die Arbeitsgruppe von Maria-Esther Vidal zusammen mit einer griechischen Forschungsgruppe diese Methode angewendet, um auf Basis von wissenschaftlicher Fachliteratur und Datenbanken einen Wissensgraphen zu Wechselwirkungen von Medikamenten zu entwickeln, die für die Behandlung von Covid-19 in Frage kommen (https://blogs.tib.eu/wp/tib/2020/05/06/how-do-knowledge-graphs-contribute-to-understanding-covid-19-related-treatments/).

Die informatischen Techniken von Maria-Esther Vidal zur Strukturierung von Wissen und zur Datenintegration sind aber nicht auf Anwendungen in der Medizin beschränkt, sondern grundsätzlich in vielfältigen multidisziplinären Kontexten auch über die Wissenschaft hinaus, etwa in der Industrie, einsetzbar. Alle von Maria-Esther Vidals Arbeitsgruppe entwickelten Software-Werkzeuge stehen als Open-Source-Software für Forschung und Anwendung weltweit frei zur Verfügung.

 

Foto: Maria-Esther Vidal, Volker Meyer-Guckel (stellvertretender Generalsekretär des Stifterverbandes) und Präsident der Leibniz-Gemeinschaft Matthias Kleiner (von links) bei der Preisverleihung in kleiner Runde // Foto: TIB